Großformat-Fotografie

 

Großformat-Technik

Nach meinen Ausflügen in die analoge Kleinbild- und Mittelformat-Fotografie habe ich Mitte letzten Jahres (2022) das Portfolio abgerundet. Ich fotografiere nun auch im Großformat 4×5“. Dafür habe ich mir eine alte aber dennoch intakte Linhof Technika III mitsamt  eines 150mm Objektivs mit Lichtstärke 4,5 gekauft. Dies entspricht etwa einem 50mm-Objektiv an einer Kleinbild-Kamera. Das Baujahr der Kamera lässt sich mittels Seriennummer auf die Jahre 1951/1952 eingrenzen. Bei so altem Equipment ist klar, dass man zusätzliches Geld für die Wartung investieren muss.

Da der Balgen, sowie die Mechanik inklusive Standarten noch komplett intakt sind, musste lediglich das Objektiv mitsamt des anmontierten Zentral-Verschlusses in die Wartung gegeben werden. Glücklicherweise ließen sich auch noch Ersatzteile für den alten Verschluss auftreiben. Dadurch funktioniert nun auch die Blitzsynchronisation per Kabel wieder.

Objektive und Verschlüsse

Um den Objektiv-Park abzurunden habe ich zusätzlich zum 150er auch noch ein 90mm Weitwinkel und ein 270er Tele erworben. Das Tele hat ein Eigengewicht von fast einem Kilo und ist schon recht schwer. Auch diese beiden Objektive mussten mitsamt der Verschlüsse gewartet werden, da sich die Zeiten aufgrund der Verharzung der Schmierstoffe deutlich verändert hatten. Da nun alles auf Stand ist, kann ich also aus dem Vollen schöpfen und mein komplettes Equipment ist uneingeschränkt einsetzbar.

Warum?

Warum das Ganze? Das ist eine gute Frage! Ich vermute, mein Antrieb in dieser Sache war es, zu den Wurzeln der Fotografie zurück zu kehren. In unserem digitalen Zeitalter wird ja in der Regel immer mit dem gerade neuesten Equipment in der Fotografie gestartet. Das war bei mir nicht anders, aber ich hatte meine erste Berührungspunkte mit analoger Technik (KB und Polaroid) ja schon in den 70ern. Vielleicht war auch das ein Grund, wieder auf Film zu shooten.

Was ist anders?

Wenn man Großformat-Fotografie betreibt, braucht man Zeit und Geduld. Man lernt, die Kameratechnik von Grund auf zu verstehen. Es wird grundsätzlich ab Stativ fotografiert, denn solche Sachen wie Bildstabi oder IBIS gibt es halt nicht. Zwar wäre es mit der Linhof als Laufboden-Kamera auch möglich, aus der Hand zu fotografieren, aber das führt schon zu einem erhöhten Ausschuss aufgrund der technischen Einschränkungen. So haben die Verschlüsse der Objektive einen recht begrenzten Zeiten-Bereich von B/T bis hin zu 1/125 sec und die eingesetzten Filme haben in der Regel einen niedrig bis allenfalls mittel ausgeprägten ISO-Wert von 25-400. Schnelle Bewegungen oder gar Sport-Fotografie kann man damit getrost vergessen, aber alle statischeren Dinge wie Architektur, Stillleben oder Portrait eignen sich hervorragend (nach entsprechendem Briefing der Modelle). Interessant wird es, wenn man die Verstellmöglichkeiten der Fachkamera nutzt, denn mit einer fest konfigurierten Kamera sind solche Dinge wie die Korrektur von stürzenden Linien oder die Anwendung des Scheimpflug nicht möglich. Abhilfe können Tilt-/Shift- oder Effekt-Objektive bringen; die finden sich aber in den wenigsten Foto-Taschen.

Möglichkeiten

Ich beginne langsam, die Möglichkeiten der Verstellungen zu nutzen, muss aber hin und wieder noch Lehrgeld zahlen. Viele Dinge sind im Großformat extrem gewöhnungsbedürftig. So z.B. die Scharfstellung auf der Mattscheibe mit Lupe (unter einem Tuch), das Spiegel- und Seitenverkehrte Mattscheibenbild und die eingeschränkte Nutzung des Entfernungsmessers. Einen eingebauten Belichtungsmesser gibt es natürlich nicht, so dass man lernt, den Handbelichtungsmesser korrekt zu bedienen – dass Zonensystem von Ansel Adams lässt grüssen.

Filme und Entwicklung

Auch das Einfädeln der Planfilme in die Kassetten im Dunkelsack und den nach der Belichtung umgekehrten Workflow mit dem Einschieben der Negative in die Entwicklungsspirale sind echte Highlights. So etwas kann man sich bei der ausschließlichen Nutzung von digitalen Kameras überhaupt nicht vorstellen.

Ich hatte mir außerdem immer geschworen, dass ich zwar Fotograf bin, aber niemals Chemiker sein werde. Aber wie das so ist, wenn man Planfilme zur Entwicklung weg schicken müsste und die Entwicklung zudem noch recht teuer ist; vom anschließenden Hires-Scan ganz abgesehen…  So habe ich nun also doch eine Negativ-Entwicklungsumgebung zu Hause, wenn auch im minimalistischen Stil mit Dunkelsack statt Dunkelkammer, Entwicklerdosen auf manuellem Roller und der entsprechenden Chemie. Entwickelt habe ich bisher Kleinbild-, Mittelformat- und Planfilme mit der Schwarz-/Weiß- und Color-Entwicklung. Bei Color halte ich die erhöhte Temperatur der Chemie in einem günstig erstandenen Sous-Vide-Garer konstant. Auch mit der sogenannten Umkehr-Entwicklung, die sehr differenzierte Grautöne erzeugen kann, habe ich bereits experimentiert. Diese Variante gefällt mir von den Ergebnissen her sehr gut, wenn auch der Aufwand mit 5 verschiedenen Bädern recht hoch und Zeit-intensiv ist.

Fazit

Die Großformat-Fotografie wird meinen fotografischen Workflow nicht ablösen, sondern ergänzen und die Kommunikation mit älteren, erfahrenen (Profi-)Fotografen wird einfacher, weil man weiß, wovon man spricht. So bereits geschehen auf dem Portrait-Workshop mit Anatol Kotte in Hamburg, den ich uneingeschränkt weiter empfehlen kann.

Was bleibt als Ausblick? Ich werde die Großformat-Kamera vorzugsweise mit S/W-Film nutzen, da die Ergebnisse der Umkehrentwicklung überzeugend sind. Hinzu wird das weitere Experimentieren mit verschobenen Schärfe-Ebenen kommen und die Blitz-Fotografie im Studio.

 

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